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Das Onlinezugangsgesetz: „Noch eine Menge Arbeit“

Veröffentlicht am 13.08.2020

Bürger und Unternehmen sollen künftig deutlich schneller, effizienter und nutzerfreundlicher mit der Verwaltung interagieren können. Damit dies möglich wird, ist im August 2017 das Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen, kurz: Onlinezugangsgesetz (OZG), in Kraft getreten. Es verpflichtet Bund, Länder und Kommunen dazu, bis Ende 2022 bestimmte Leistungen auch elektronisch über einen Portalverbund anzubieten. Wie ist der aktuelle Stand dieses Vorhabens?

Strukturierte Sisyphusarbeit

575 OZG-Leistungen wurden definiert, die bis Ende 2022 – nutzerfreundlich und medienbruchfrei – auch online zur Verfügung stehen müssen. Sie bestehen aus mehr als 5.000 unterschiedlichen Einzelprozessen – von Anträgen auf Wohngeld bis zur Anmeldung eines Unternehmens. Eine Sisyphusarbeit. Damit das gelingen kann, wurde ein strukturierter Prozess festgelegt:

  • Bund, Länder und Kommunen arbeiten gemeinsam an der OZG-Umsetzung und teilen ihre Ressourcen auf. Mindestens ein Land und ein Bundesressort bilden ein federführendes Tandem pro Themenfeld. Auch kommunale Partner und gegebenenfalls weitere Länder werden eingebunden.
  • Es wurden zwei Digitalisierungsprogramme gebildet: Das Digitalisierungsprogramm Bund beinhaltet alle Leistungen, die im Aufgabenbereich des Bundes liegen. Hier ist der Bund in alleiniger Verantwortung zuständig. Die OZG-Leistungen, die von den Ländern und Kommunen erbracht werden, fallen ins Digitalisierungsprogramm Föderal. Hier arbeiten Bund, Länder und Kommunen arbeitsteilig zusammen.
  • Die OZG-Leistungen bilden insgesamt 35 Lebens- und 17 Unternehmenslagen ab. Beispiele dafür sind Umwelt, Gesundheit oder Arbeit und Ruhestand. Sie wurden in 14 Themenfelder unterteilt und sind damit nicht mehr nach Zuständigkeiten der Behörden gebündelt, sondern nach thematischem Zusammenhang.
  • Die Arbeitsergebnisse der Themenfelder sowie bereits digitalisierte Leistungen werden im Sinne einer Nachnutzung anderen Ländern und Kommunen zur Verfügung gestellt. Sie müssen somit nur einen Bruchteil der OZG-Leistungen selbst digitalisieren. Das spart Zeit, Ressourcen und Kosten.
  • Für die digitalen Verwaltungsleistungen und die ihnen zugrunde liegenden IT-Systeme werden Standards entwickelt. Diese Servicestandards sollen dabei unterstützen, eine gleichbleibend hohe Qualität sicherzustellen und bessere Verwaltungsleistungen anzubieten.
  • Im Zuge der Themenfeldarbeit gibt es 14 Digitalisierungslabore. Interaktive Teams aus Bund, Ländern und Kommunen entwickeln dort agil zielgruppenorientierte Online-Anwendungen. Sie schauen sich die einzelnen Themenfelder genauer an und identifizieren besondere Herausforderungen. So können zum Beispiel Gesetzesänderungen notwendig sein, um hinderliche Erfordernisse abzulösen. Nutzer werden von Anfang an beteiligt.
  • Jedes Land verknüpft sein Verwaltungsportal mit den Portalen seiner Kommunen und sonstigen Fachportalen seines Landes zu einem eigenen Portalverbund. Der Bund verknüpft die Fachportale des Bundes mit seinem Verwaltungsportal Bund.
  • Jedes der 16 Bundesländer konnte einen Schwerpunkt bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes wählen.

„Wir brauchen digitale Prozesse in unseren Behörden von A bis Z: in Bund, Ländern und Kommunen.“

Horst Seehofer, Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat

Gut zwei Jahre bleiben noch

Gut zwei Jahre bleiben noch, um mit der Mammutaufgabe fertig zu werden. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion traf sich im Juli 2020 in Sachen Umsetzung des OZG mit Staatssekretär Dr. Markus Richter, seit Mai in der Funktion des Bundes-CIO. Und teilte anschließend mit: „Der Austausch mit […] Dr. Markus Richter hat uns einmal mehr verdeutlicht, dass wir zwar auf einem guten Wege sind, aber vor uns noch eine Menge Arbeit liegt.“

„Es geht jetzt vor allem darum, die OZG-Umsetzung zu beschleunigen“, fasste der Bundes-CIO die Lage im Juli 2020 zusammen1. Diesbezüglich herrsche auch im IT-Planungsrat, dem er aktuell vorsitzt, breite Zustimmung. Ebenso sei sich der IT-Planungsrat darüber einig, dass die OZG-Umsetzung eine kritische Wegmarke erreicht habe: „Das angestrebte aZiel […] ist eine große Herausforderung, die wir nur meistern werden, wenn wir gemeinsam deutlich schneller werden.“

Zum 1. Juli 2020 ist die Geschäftsstelle des IT-Planungsrats offiziell in die FITKO (Föderale IT-Kooperation) übergegangen. Diese neue Anstalt des öffentlichen Rechts mit Sitz in Frankfurt wurde zu Jahresbeginn gegründet. Unter Präsidentin Dr. Annette Schmidt und in Trägerschaft aller Länder und des Bundes übernimmt die FITKO alle Aufgabenbereiche der Geschäftsstelle, die bisher beim Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) eingerichtet war. Das soll zu einer Vereinheitlichung der Arbeitsstrukturen, Prozesse und Regelungen führen und die Verwaltungsdigitalisierung, Standardisierung und föderale Zusammenarbeit auf eine neue Ebene heben.

Bereits Ende 2019 verkündete Horst Seehofer, Bundesminister des Innern, dass der Bund seinen Anteil am OZG bis Ende der laufenden Legislaturperiode „weitestgehend“ erledigt haben wird, der Rest sei planmäßig bis Ende 2022 zu schaffen. Das zeigt: An der Digitalisierung der Verwaltungsdienstleistungen wird kräftig gearbeitet. Allerdings zeichnet sich ab, dass im föderalen Deutschland mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten digitalisiert wird. Laut einer Umfrage unter Verwaltungsmitarbeitern2 geht der Bund mit großen Schritten voran, aber auf kommunaler Ebene befinden sich zahlreiche Vorhaben erst im Anfangsstadium. „Die deutschen Landkreise sind an die Vorgaben der jeweiligen Landesregierungen gebunden. Es kommt darauf an, wie gut die IT-Infrastruktur und die finanziellen Kapazitäten des Landes beschaffen sind“, beschreibt Dr. Ariane Berger, Leiterin Digitalisierung beim Deutschen Landkreistag (DLT), die Gründe dafür3. Einen neuen Schub bei der OZG-Umsetzung könnte ein kleiner Geldsegen bringen: Das im Sommer 2020 verabschiedete Konjunkturpaket sieht zusätzliche drei Milliarden Euro für die digitale Verwaltung vor.

Meilenstein Servicestandard

Ein aktueller Meilenstein ist aus Richters Sicht die Schaffung eines einheitlichen Servicestandards für die OZG-Umsetzung: „[…] Ich glaube wirklich, dass so ein gemeinsames Commitment entscheidend dafür ist, dass die Digitalisierung auch wirklich bundesland- und kommunenübergreifend gelingt. Nur wenn wir uns über solche Standards verständigen, können wir digitale Prozesse auch wirklich parallel entwickeln. Mit einseitigen Vorgaben und Zwang kämen wir hingegen nicht weit. So etwas funktioniert in einem föderalen System ohnehin nicht.“ Der Servicestandard liegt seit Juni 2020 vor. Die darin empfohlenen Richtlinien und ganzheitlichen Qualitätsprinzipien unterstützen Bund, Länder und Kommunen dabei, digitale Verwaltungsangebote zu entwickeln. Der besondere Fokus liegt auf der Nutzerfreundlichkeit der zu digitalisierenden Leistungen.

„Für mich ist es wichtig, dass unsere Verwaltung nutzerfreundlich digitalisiert wird. Mit dem Servicestandard bieten wir eine wichtige Handreichung, um die Digitalisierungsprozesse nach einheitlichen Qualitätskriterien auszurichten.“

Marcus Richter
Dr. Markus Richter, Staatssekretär im BMI und Bundes-CIO

Diese Leistungen sind schon online

Während viele Projekte noch in der Entwicklung sind, gibt es auch bereits fertig digitalisierte Leistungen. Ein paar Beispiele:

Bund: Auf der OZG-Bundeswebsite onlinezugangsgesetz.de können sich interessierte Bürger und Akteure aus Verwaltung, Politik und Wirtschaft auf den neuesten Stand der Umsetzung bringen lassen.

Bayern: Die bayrische Landesregierung hat den OZG-Masterplan Bayern aufgestellt. Bis Ende 2020 soll es möglich sein, online Wohngeld oder eine Baugenehmigung zu beantragen sowie Fahrzeuge an-, um- oder abzumelden. 2021 sollen die Top-54-Leistungen in die Kommunen ausgerollt werden.

Brandenburg: Das Ministerium des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg hat eine Informationsseite zum OZG geschaffen. Seit April 2020 kann sie unter ozg.brandenburg.de  aufgerufen werden. Auf der Informationsplattform finden Interessierte nützliche Informationen, Ansprechpartner, Sachstände sowie Handlungshilfen zur Umsetzung des OZG.

Hessen: Bürger können seit zehn Monaten in Marburg und seit sieben Monaten in Gießen Urkunden beim Standesamt online beantragen und bezahlen. Das gilt für Geburts-, Sterbe- sowie Ehe- beziehungsweise Lebenspartnerschaftsurkunden. 4.000 Bestellungen sind in den beiden Kommunen seither über die Digitalisierungsplattform civento eingegangen. Die große Zahl in dem kurzen Einsatzzeitraum zeige, wie wichtig und notwendig die Umstellung sei.

„4.000 Bestellungen bedeuten für die Bürger, 4.000 Mal keinen Urlaub für Behördengänge beantragen zu müssen, sich 4.000 Mal die Parkplatzsuche in der Innenstadt zu sparen und 4.000 Mal keine Wartemarke zu ziehen.“

Bertram Huke, Geschäftsführer von Plattformbetreiber ekom21

Niedersachsen: Seit Juni 2020 können Bürger Arbeitslosengeld II bei den kommunalen Jobcentern in den Landkreisen Schaumburg, Osnabrück und Verden (Aller) digital beantragen. Das funktioniert auch schon in Teilen von Hessen (Wiesbaden, Kreis Groß-Gerau und Landkreis Offenbach). Potenzielle Nutzer des Antrags auf Arbeitslosengeld II wurden von Anfang an beteiligt. Sie waren sowohl in die Planungen und die Entwicklung des Klick-Prototyps eingebunden als auch bei der Umsetzung.

Nordrhein-Westfalen: Seit April können online Entschädigungen für Verdienstausfälle durch die Corona-Pandemie über ifsg-online.de beantragt werden. Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS) und das BMI haben gemeinsam dieses eilige OZG-Projekt initiiert und entwickelt. Brandenburg, Baden-Württemberg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein haben sich bereits angeschlossen. Neben dem Online-Antrag wird den Behörden eine Software zur Verfügung gestellt, um sie in der effizienten Bearbeitung der Anträge zu unterstützen. Dies reduziert die Bearbeitungsdauer und beschleunigt die Erstattung.

„Das ganze Thema Onlinezugang für Bürger und Unternehmen lässt sich nicht ohne ernsthafte IT-Sicherheit denken. Der Staat hat besondere Informationen und muss damit besonders verantwortungsvoll umgehen.“

Thomas Popp, Mitglied der Sächsischen Staatsregierung für Digitale Verwaltung und Verwaltungsmodernisierung

Sachsen: Auch Sachsen hat eine eigene Website rund um das OZG aufgebaut. Unter ozg.sakd.de informiert die Sächsische Anstalt für kommunale Datenverarbeitung (SAKD) über die „Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes für kommunale Verwaltungen im Freistaat Sachsen“.

 

1www.egovernment-computing.de/wir-stehen-gemeinsam-unter-erfolgsdruck-a-949915/

2Materna Information & Communications SE und Infora GmbH

3https://www.behoerden-spiegel.de/2020/05/20/zum-warten-verdammt-ozg-umsetzung-dauert-zu-lange/

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