CBDC, EZB, VWL: der digitale Euro aus volkswirtschaftlicher Sicht
Veröffentlicht am 05.04.2022
Die Europäische Zentralbank (EZB) beschäftigt sich intensiv mit der Einführung von digitalem Zentralbankgeld. Ebenso wie Jonas Groß. Der Vorsitzende der Digital Euro Association und Projektmanager des Frankfurt School Blockchain Centers spricht im Interview über Vorteile und volkswirtschaftliche Grenzen einer europäischen Central Bank Digital Currency – kurz CBDC. Außerdem erklärt er, wie sich ein digitaler Euro auf die Bankenwelt auswirken würde.
Wie ein CBDC-System aussehen könnte
Herr Groß, braucht die Eurozone ihr eigenes digitales Zentralbankgeld?
Ich würde eine Entscheidung dafür in jedem Fall begrüßen. Denn ein digitaler Euro – der ja im Grunde Bargeld nachahmt – hätte viele Vorteile. Einer davon wäre mehr Privatsphäre bei Online-Transaktionen. Heute nutzen wir dafür Giralgeld, weshalb die Banken, Kreditkartenanbieter und Bezahldienste immer Einblick in Kundendaten haben. Mit einem digitalen Euro bliebe, bei einem angemessenen Design, die Datenkontrolle bei den einzelnen Beteiligten. Zudem kann eine CBDC Innovationen fördern, insbesondere im Internet of Things. Ich führe immer gern das Beispiel eines Autos an, das eine eigene digitale Brieftasche hat und mittels CBDC Tank-, Maut- oder Mietkosten automatisch begleicht.
Das Frankfurt School Blockchain Center attestiert dem digitalen Euro, dass er die geopolitische Rolle unserer Währung stärken könnte. In welcher Hinsicht?
Bei jeder Währung stellt sich zuallererst die Frage, wer Zugang zu dieser Währung hat. Beim Euro-Bargeld haben ihn allen voran die Menschen aus den Ländern der Eurozone. Bei einer CBDC könnte sich der Kreis deutlich erweitern – ein Klick und schon ließe sich der Euro in jedes beliebige Land schicken. Ein europäisches Exportunternehmen, das beim Geschäft mit ausländischen Firmen bislang eher deren Währungen genutzt hat, könnte diesen Firmen nun Zugang zum digitalen Euro bieten und ihn damit weltweit verbreiten. Und das wiederum würde seine Bedeutung geopolitisch stärken. Allerdings ist dieses Szenario aktuell nicht unbedingt realistisch.
Warum?
Die EZB müsste einen solchen Prozess befürworten und schließlich unterstützen. Und sie hielt 2020 fest, dass sie den digitalen Euro nicht unlimitiert für das Ausland zur Verfügung stellen möchte. Insbesondere deshalb, weil sie nicht so stark in Wechselkurse und Kapitalflüsse eingreifen will. Das heißt: Hauptanwender wären die Bürger der Eurozone, während die Menschen in Drittstaaten – das ist jedoch noch nicht klar definiert – allenfalls einen teilweisen Zugang bekämen. Nun ist die Frage, ob andere Zentralbanken hier eine alternative Strategie fahren könnten, die auf eine breite Öffnung für das Ausland setzt. Die Federal Reserve beispielsweise scheint eher die EZB-Position einzunehmen. Aber in den USA ist CBDC derzeit sogar noch mehr Zukunftsmusik als in Europa. Im Zeitplan sind die Staaten etwa anderthalb Jahre hinter uns, wohl auch, weil der Dollar im Vergleich zu Kryptowährungen und Stablecoins sehr dominant ist. Spannend dürfte die Entwicklung in China sein, wo der digitale Yuan wahrscheinlich sehr bald im ganzen Land Realität ist. Hier schätze ich die Wahrscheinlichkeit einer Öffnung der Währung höher ein.
Ob der Euro global stärker wird, ist also fraglich. Die EZB wiederum dürfte aber definitiv an Bedeutung gewinnen, oder?
Ja, bis zu einem gewissen Punkt auf jeden Fall. Wenn wir heute digital zahlen – über Kreditkarten oder Bezahldienste –, tun wir das ja nicht mit einer eigenen digitalen Währung. Wir bewegen lediglich Einlagen von unseren eigenen Konten, die bei Geschäftsbanken liegen. Der digitale Euro hingegen kommt direkt von der EZB. Für den Verbraucher hat das den Vorteil, weniger abhängig von seiner Bank und damit besser geschützt vor deren möglicher Pleite zu sein. Eine Zentralbank jedenfalls kann nicht Bankrott gehen – sie kann einfach neues Geld in Umlauf bringen. Und klar, die EZB bekäme damit automatisch mehr Macht, nicht zuletzt beim Thema der Geldpolitik.
Aber wären damit nicht automatisch die Geschäftsbanken bedroht?
Ich glaube nicht, dass die EZB eine zu starke Machtstellung bekäme. Für sie wäre der digitale Euro zuallererst Innovationsförderer und Ausgleich für das immer mehr an Bedeutung verlierende Bargeld. Aktuell spricht die EZB sehr viel über Limits und möchte den Finanzsektor schützen. Es soll eben keinen Ansturm auf Banken geben, in dem Menschen ihre Konten leerräumen und das Geld gegen die sichere CBDC tauschen. Die Politik der Europäischen Zentralbank wäre eher, dass Nutzer nur einen bestimmten Geldbetrag als CBDC halten dürfen. Sie hat sogar einen Negativzins auf die digitale Währung ins Spiel gebracht, der ab einem bestimmten Betrag greifen würde. Banken werden meiner Meinung nach weiterhin die Hauptanlaufpunkte sein, um Geld zu sparen. Sie würden sicher auch im CBDC-System wichtige Funktionen ausführen – Konten einrichten, die Nutzerinteraktion übernehmen und Geldwäschechecks durchführen. Und ganz wichtig: Geschäftsbanken würden weiterhin Kredite vergeben. Dafür wäre die EZB nicht die richtige Institution.
Mit Kryptowährungen verband man lange Zeit die Hoffnung, dass sie einen Inflationsschutz bringen würden. Warum eigentlich?
Wer eine Inflation umgehen möchte, investiert in Vermögenswerte, die eher unabhängig vom Geldsystem sind. Die besten Beispiele: Immobilien und Gold. Bei Gold spielt die Knappheit eine enorme Rolle, was den Wert angeht. Der Bitcoin ist sogar noch knapper – was ja bekanntlich auch im Code geregelt ist. Daher gilt er für mich zu Recht als eine Art digitales Gold.
Aber bestätigt haben sich die Inflationsschutz-Hoffnungen ja nicht unbedingt …
Da würde ich widersprechen. Zu Beginn der Corona-Pandemie und der Ukraine-Krise ist zwar der Bitcoin erheblich gefallen. Allerdings galt dies zum einen für fast alle Vermögenswerte, mit Ausnahme von Gold, zum anderen folgte in beiden Fällen eine starke Erholung. Man sollte natürlich keine voreiligen Schlüsse ziehen. Schließlich bewegen wir uns das erste Mal seit Langem in Richtung Inflation – da ist noch kein Platz für absolute Wahrheiten. Aber Kryptowährungen mit Blick auf die Schutzwirkung komplett aufzugeben, halte ich für falsch.
Wie sähe das bei digitalem Zentralbankgeld aus?
Im Grunde würde es ihm genauso wie unserem heutigen Euro ergehen. Eine CBDC wäre ja keine neue, alternative Währung, sondern eher eine digitale Form von Bargeld. Der Euro bliebe die Währung und man könnte CBDC immer in Bargeld umtauschen. Sie würde also ebenso an Wert verlieren wie Bargeld. Das ist aber nicht schlimm. Ein digitaler Euro ergibt trotzdem Sinn. Allein aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit, weil für europäische Unternehmen sonst die digitalen Währungen anderer Länder attraktiv werden würden.
Derzeit plant die EZB nicht, ein mögliches CBDC-Unternehmen in Drittstaaten zugänglich zu machen. Was wäre, wenn ein Staat der Eurozone damit nicht einverstanden ist? Könnte dieser Staat dann seine eigene digitale Währung oder sein eigenes Kryptogeld auf den Markt bringen?
Das ist tatsächlich eine spannende Frage, auch in rechtlicher Hinsicht. Litauen führte 2020 den auf der Blockchain basierenden LBCoin ein. Der ist jedoch eher eine Art digitale Sammlermünze, ein kleines experimentelles Projekt. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass eine nationale Zentralbank aus der Eurozone eine echte CBDC auf den Markt bringen würde. Die EZB hat da ein gehöriges Wort mitzureden und ist sicherlich nicht an Alleingängen interessiert.
Kryptowährungen sind einer der großen Trends unserer Zeit. Sie scheinen sich aber mit dem Megatrend Nachhaltigkeit zu beißen. Der Stromverbrauch beim Schürfen ist noch immer enorm hoch. Gilt dieses Problem denn auch für eine CBDC?
In Sachen Nachhaltigkeit bringt CBDC überhaupt keine Probleme. Eine Kryptowährung verbraucht vor allem deshalb so viel Energie, weil im Hintergrund ein Netzwerk von unzähligen Computern mit mathematisch-kryptografischen Methoden Vertrauen schafft. Beim digitalen Euro ist das anders. Hier schafft die Institution EZB das Vertrauen und managt das System. Mathematische Rätsel werden nicht benötigt. Ein digitaler Euro wird ähnlich viel Strom verbrauchen wie die Bankentransaktionen heute.