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Mann und Frau forschen im Labor

Warum wir einen europäischen Gesundheitsdatenraum brauchen

Veröffentlicht am 22.03.2022

Ein sicheres digitales System zur Erfassung und Verarbeitung von Gesundheitsdaten für die gesamte EU: Der sogenannte europäische Gesundheitsdatenraum soll genau das in naher Zukunft leisten können. Profitieren könnten Mediziner und ihre Patienten, aber auch die Forschung. Ein Blick nach Finnland zeigt, welche Vorteile ein gemeinsamer Gesundheitsdatenraum bringt – und welche Voraussetzungen nötig sind, um ihn sicher zu machen.

Zentral, effizient, sicher: Das ist der Gesundheitsdatenraum

Es klingt nach einem ambitionierten Ziel – und das ist es auch: Die Europäische Union will bis zum Jahr 2025 die Voraussetzungen für einen gemeinsamen europäischen Gesundheitsdatenraum (European Health Data Space, kurz EHDS) schaffen und damit die Gesundheitssysteme aller Mitgliedsstaaten digital miteinander vernetzen. Die Zusammenführung von Gesundheitsdaten soll die Versorgung und Behandlung von Patienten in der EU verbessern und wichtige Informationen für Forschung bereitstellen. Gerade für die Prävention von Krankheiten erhoffen sich Forscher wertvolle Erkenntnisse, die künftig Leben retten könnten.

In Deutschland ist mit der Telematikinfrastruktur bereits ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung gemacht. Über die Datenautobahn für das Gesundheitswesen können sich Mediziner hierzulande digital austauschen und Anwendungen wie den elektronischen Medikationsplan bearbeiten. Der europäische Gesundheitsdatenraum baut darauf auf und soll Gesundheitsdaten grenzüberschreitend nutzbar machen.

Die wichtigsten Vorteile des europäischen Gesundheitsdatenraums im Überblick

  1. Vorteile für Patienten: Datenhoheit immer und überall

Für Patienten liegen die Vorteile des Gesundheitsdatenraums auf der Hand. Zunächst einmal ermöglicht er, dass Patienten selbstbestimmt auf ihre Daten zugreifen und über sie bestimmen können – ganz egal, in welchem europäischen Land sie zuletzt behandelt wurden. Außerdem können zum Beispiel Befunde oder Röntgenbilder digital schneller zur Verfügung gestellt werden als bisher. Die Kommunikation zwischen Patienten und Behandlern wird so unkomplizierter und effektiver. Diagnosen könnten schneller gestellt, Therapien schneller eingeleitet werden. Ein ganz praktischer Vorteil des gemeinsamen Gesundheitsdatenraums wäre darüber hinaus die Harmonisierung von unterschiedlichen Anwendungen innerhalb der EU. Ein Rezept, das von einem deutschen Arzt ausgestellt wurde, auch im EU-Ausland in der Apotheke einlösen – bisher undenkbar, im europäischen Gesundheitsdatenraum jedoch eigentlich kein Problem mehr. Nicht zuletzt profitieren Patienten von einer insgesamt gesteigerten Behandlungs- und Versorgungsqualität, wenn die Nutzung von Gesundheitsdaten in der Forschung zu vielversprechenden Ergebnissen führt – zum Beispiel für neue Therapien.

  1. Vorteile für Mediziner: weniger Bürokratie und bessere Behandlung

Analoge oder nicht optimierte digitale Prozesse verschlingen im Gesundheitswesen Unmengen an Zeit. Zeit, die Ärzte, Physiotherapeuten, Pflegekräfte oder Apotheker lieber in die Betreuung ihrer Patienten investieren würden. Der unkomplizierte Austausch von Daten rund um die medizinische Behandlung – auch über die eigenen Landesgrenzen hinaus – bedeutet für das medizinische Personal eine enorme Entlastung.

  1. Vorteile für Forschung: Daten nutzen, Patienten helfen

Für Akteure aus Wissenschaft, Forschung und dem E-Health-Bereich wäre der europäische Gesundheitsdatenraum ein wahrer Datenschatz. Die Möglichkeiten für die Nutzung sind dabei vielfältig. So könnten die Daten beispielsweise neue Erkenntnisse zu seltenen Erkrankungen und Aufschluss über Prävention und Behandlung liefern. Auch im Umgang mit Pandemien könnten die Daten ein mächtiges Instrument sein. Ein europäischer Gesundheitsdatenraum kann somit aktiv zum medizinischen Fortschritt beitragen. Bleiben die übermittelten Daten anonym und sicher, können auch Patienten nur profitieren.

 

Bis es so weit ist, sind noch einige grundlegende Fragen unter den EU-Staaten zu klären. Eine große Herausforderung scheint die Harmonisierung der jeweils vorhandenen technischen Voraussetzungen zu sein. Immerhin müssen die Mitgliedsstaaten für einen europäischen Gesundheitsdatenraum ein einheitliches System zur Erfassung der Gesundheitsdaten etablieren und deren Verwaltung standardisieren, um Interoperabilität zu gewährleisten. Und auch die gesetzlichen Grundlagen sind nicht in jedem EU-Land die gleichen: Zwar gilt in allen Mitgliedsstaaten die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Für den Schutz von Gesundheitsdaten sind allerdings weitergehende Maßnahmen nötig, die dann für die ganze EU vereinheitlicht werden müssen.

Was wir von Finnland lernen können

Eines der großen Vorbilder für den europäischen Gesundheitsdatenraum ist Finnland: Die Digitalisierung des Gesundheitswesens wird hier von staatlicher Seite stark vorangetrieben. Die elektronische Gesundheitskarte „Kanta“ gibt es bereits seit über zehn Jahren. Dazu gehören auch die „Kanta Services“: Auf einer Website haben Patienten jederzeit Einblick in all ihre gesammelten Gesundheitsdaten und medizinischen Unterlagen. Hier sind beispielsweise auch elektronische Rezepte hinterlegt, die der Patient über die Plattform abrufen und anfordern kann. Rezepte in Papierform sind in Finnland die absolute Ausnahme. Ärzte, Apotheker und anderes medizinisches Personal können die Daten der Kanta ebenfalls abrufen. Laborbefunde, Röntgenbilder, Untersuchungsergebnisse – all das wird in Finnland digital zur Verfügung gestellt. Selbst Forscher oder Start-ups aus dem E-Health-Bereich haben Zugriff, denn die Daten werden dafür zunächst anonymisiert.

Mit Findata hat das Land außerdem eine eigene Behörde für digitale Gesundheits- und Sozialdaten geschaffen. Sie ist dafür verantwortlich, Patientendaten aus der Primärversorgung gemeinsam mit den Daten aus nationalen medizinischen Registern sowie Sozialdaten aller Art zu sammeln und bei Bedarf anonymisiert und aufbereitet weiterzugeben. Die Freigabe ihrer Gesundheitsdaten haben die Finnen dabei nach dem Widerspruchsprinzip geregelt. Davon Gebrauch macht allerdings nur ein verschwindend geringer Teil der finnischen Bevölkerung. Um die gesetzliche Grundlage für den Gesundheitsdatenraum zu schaffen, verabschiedete Finnland 2019 sogar den sogenannten „Act on the Secondary Use of Health and Social Data“. Er sieht vor, dass gespeicherte Gesundheitsdaten generell für weitere Zwecke genutzt werden dürfen, als bei der eigentlichen Erhebung vorgesehen. Zu diesen Zwecken gehören beispielsweise die wissenschaftliche Forschung und Lehre oder die Erstellung von Statistiken.

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Ein Datentreuhänder kann Sicherheitsbedenken nehmen

In Deutschland ist die Skepsis gegenüber dem Teilen von Daten präsenter als in Finnland. Viele fürchten hierzulande, dass persönliche Gesundheitsdaten in den falschen Händen landen könnten – zum Beispiel beim Arbeitgeber, bei der Versicherung oder gar bei Cyberkriminellen. Trotzdem ist die grundsätzliche Bereitschaft für das Bereitstellen von Gesundheitsdaten auch bei den Deutschen vorhanden. 79 Prozent der Bevölkerung sind beispielsweise bereit, diese Daten anonym und unentgeltlich digital der medizinischen Forschung zur Verfügung zu stellen. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen forsa-Umfrage im Auftrag der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e. V. (TMF) aus dem Jahr 2019. Voraussetzung ist für viele dabei ein verlässlicher Datenschutz. Laut einer YouGov-Verbraucherbefragung im Auftrag der Bundesdruckerei aus dem Juni 2020 haben Gesundheits- und Datenschutz für immerhin die Hälfte aller Befragten den gleichen Stellenwert.

Die Angst vor Datenmissbrauch könnte auch in einem europäischen Gesundheitsdatenraum ein sogenannter Datentreuhänder nehmen. Dieser hat als neutrale Instanz selbst kein kommerzielles Interesse an der Verwertung der aufgezeichneten Daten und garantiert eine sichere, pseudonymisierte Übertragung der Informationen. Außerdem stellt er sicher, dass nur der die Daten bekommt, dem sie der Spender auch geben möchte. Der Patient behält so stets die Hoheit über seine Daten. Ein Konzept, das den Weg für den europäischen Gesundheitsdatenraum ebnen kann.

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